Nur manches geregelt: "Die Frau ohne Schatten" von Loy und mit Thielemann in Salzburg

von Volker Boser

Fast konzertant: Das Ensemble bei der "Frau ohne Schatten" vor rot-weiß-roter Kulisse. Foto: Monika Rittershaus

Wer verstehen will, was die Inszenierung gemeint haben könnte, muss sich bis in das Jahr 1955 zurück erinnern: Im November entstand in Wien unter dem Dirigenten Karl Böhm die erste Gesamtaufnahme der „Frau ohne Schatten“ von Richard Strauss. Wenige Monate zuvor war der österreichische Staatsvertrag in Kraft getreten. Er sicherte dem Land die Souveränität. Christof Loy integrierte beide Ereignisse in seine Salzburger Neuinszenierung.

Als sich der Vorhang öffnet, gibt er den Blick frei auf das mit viel Liebe zum Detail nachgebaute Tonstudio der Wiener Sofiensäle (Bühne: Johannes Leiacker). Die ärmlichen Kostüme von Ursula Renzenbrink deuten an, was Karl Böhm später berichtet: Die Sänger arbeiteten ohne Honorar, sie froren, aber waren mit Begeisterung dabei.

Den Regisseur beeindruckte nach eigenem Bekunden diese Story derart, dass er beschloss, die damalige Studioproduktion nachzuzeichnen. Wir erleben eine nahezu konzertante Aufführung. Die Akteure lassen sich von einem Assistenten in Position bringen, klammern sich an das Notenpult und kämpfen mit den von Christian Thielemann beschworenen Klangmassen. Zumeist erfolglos - die Wiener Philharmoniker kennen bei solchen Gelegenheiten bekanntlich kein Pardon.

Den Schlussjubel der Oper serviert Loy als aufgepäppelte Weihnachtskantate für vier Solisten und Knabenchor. Es riecht nach Nazi-Atmosphäre. Diese ironisch gemeinte Reverenz an den Staatsvertrag ist perfide. Denn das Papier konnte manches regeln, jedoch nicht die Gesinnung Einzelner korrigieren.

Was aber hat das alles mit Hofmannstahls Zaubermärchen zu tun, in dem es darum geht, dass eine feenhafte Kaiserin mit Hilfe einer Amme einer verführbaren Färberin deren Schatten abgewinnen möchte?

Offenkundig waren dem Regieteam, je mehr es sich mit dem Stück beschäftigte, umso größere Zweifel gekommen, wie man diesem verquasten Überbau an psychologisierenden Banalitäten begegnen sollte. Gelegentlich legen die Akteure die Noten beiseite und tun so, als wären sie in ihre Rollen geschlüpft. Es nützte nichts: Am Ende gab es für Christof Loy heftiges Buh. Die Mehrheit im Publikum war der nicht von der Hand zu weisenden Ansicht, hier habe sich jemand gedrückt.

Szenische Flops müssen einen Opernbesuch nicht überflüssig machen – solange die Musik stimmt. Christian Thielemann, wurde am Ende mächtig bejubelt, auch von den Wiener Philharmonikern. Immer wieder entlockte er ihnen herrlichste instrumentale Farben. Sein Versprechen, die Sänger nicht zuzudecken, löste er nicht ein.

Was daran gelegen haben mag, dass Salzburg die derzeit Besten für dieses schwierige Stück wohl suchte, aber nicht fand. Anne Schwanewilms war eine viel zu leichte, lyrische Kaiserin. Tenor Stephen Gould (Kaiser) stemmte sich mit unschöner Wagner-Kraft durch die Noten. Barak ließe sich samtener, balsamischer singen (Wolfgang Koch). Michaela Schuster (Amme) und Evelyn Herlitzius (Färberin) wirkten angestrengt, nie wirklich souverän.

Und nur nebenbei: Eine Produktion, die so unverblümt an eine historische Schallplattenaufnahme erinnert, sollte sich auch an den damaligen Sängern messen lassen. Denen gelang ebenfalls nicht alles - aber insgesamt doch erheblich mehr.

Veröffentlicht am: 02.08.2011

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

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