Highway To Augustiner Hell: Die Ramonas wirken wie ein Witz, sind aber die Gegenwart von Punk in München

von Michael Grill

Bevorzugen Pferdeleberkas (v.l.): Landy, Loni, Alfons. Foto: Ramonas

Vor gefühlten 1000 Jahren kamen Bands wie die Sex Pistols aus London oder die Ramones aus New York (oder, übrigens, wie Pack aus München, aber das wäre ein eigenes, langes Kapitel). Sie spielten Punk, und das war die größte Revolution in der Rockmusik seit Elvis zum ersten Hüftschwung angesetzt hatte. Davon war allerdings schon nach kurzer Zeit nicht mehr viel übrig: Bands wie die Toy Dolls aus England oder Green Day aus den USA machten aus einer großen Sache einen halblauten Quatsch zum Mitschunkeln für die ganze Familie.

So hatte man das eigentlich abgehakt. Doch nun kommt aus München – sozusagen zum zweiten Mal nach Pack - etwas das man dieser Stadt nicht zugetraut hätte. Eine Band, die die Sache auf einen sinnvollen Nenner bringt: Punk, aber lustig, trotzdem nicht lächerlich. Das sind die Ramonas, deren Maskottchen ein gepiercter Bayern-Löwe ist, dessen Schwanz sich zum Anarchie-Zeichen rollt. Gerade stellten sie ihre CD im 59:1-Club vor.

Die Ramonas sind drei nicht mehr ganz so junge Münchner Buben, die unter den Künstlernamen Landy, Loni Lackschaden und Alfons unter Palmen firmieren. Landy ist der Kopf des Unternehmens, er spielt Gitarre und singt. „Sauna Club Melanie“ steht an diesem Abend auf seinem T-Shirt. Drummer Alfons trägt ein Unterhemd mit Leopardenfellmuster, Bassit Loni ist recht anständig im Buzzcocks-Shirt.

Die Band ist sozusagen ein sehr breites Grinsen: Live im 59:1. Foto: Michael Grill

Dann legen sie los. Viele Stücke sind tatsächlich Ramones-Cover – wie der Name Ramonas ja nahelegt -, manche aber auch nicht. Ihre CD heißt Isar-Punk und wird an diesem Abend in einer limitierten und nummerierten Sonderedition von 75 Stück verkauft. Die Ramonas erfinden weiß Gott nichts neu, aber genau das ist es ja: Eine Band, die Ramones-Punk ohne weitere Zutaten spielt und dabei so bairisch ist, als wenn die Schwabinger Gisela und der Sommer Sigi drei uneheliche Söhne produziert hätten, am besten noch mit Georg Queri als Urgroßvater. Hat da wer Cover-Band gesagt? Bitte einfach draußen bleiben, wie das im Laufe des späten Abends in einem Song auch noch Nazis, Josef Ackermann, Guido Westerwelle und Uli Hoeneß empfohlen wird. Am lustigsten sind die Ramonas übrigens, wenn Schlagzeuger Alfons glaubt singen zu müssen, man könnte es auch für die Strafe einer verlorenen Wette halten.

Die Ramonas pflegen ein Bairischsein, dass zugleich nach altem Giesing und nach neuem Glockenbach riecht. Sehr retro und sehr hipp: Augustiner, Sechzga Stadion, Pferdeleberkas. Die Schönheit des Feringasees ist unermesslich, und die Spider Murphy Gang (eine Band, die sich sehr vergeblich Punk-Hippness zuzulegen versuchte) lebt immer noch ein bisschen. Deshalb spielen die Ramonas „Rosi's Tochter“ eine (trotz falschem Genitiv) recht geniale Fortsetzung vom „Skandal im Sperrbezirk“. In diesem hat bekanntlich eine gewisse Rosie die Nummer 32168, wohingegen ihre Tochter bei den Ramonas nun im Webbusiness aktiv ist.

Sänger Landy trägt Kinnbart zur Fastglatze, der gezwirbelt ist und etwa einen halben Meter lang, weswegen manche der wenigen Gitarrensoli nicht nur zufällig so klingen, als habe sich da etwas in die Saiten gewickelt. Das Styling ist es wert, schließlich trägt der Musiker auch einen Rock aus der eigenen Kollektion. Dann sagt Landy: „So eine Ansage wollte ich schon immer mal machen: Dieses Lied ist von unserer aktuellen CD.“ Wo dabei der Witz ist? - Den Ramonas ist das Geschäft, wie ja jedem aufrechten Punk, entweder zuwider oder nur ironisch erträglich. Es wird dann breit gegrinst auf der Bühne, wie ja überhaupt die ganze Band sozusagen ein sehr breites Grinsen ist.

Sie spielen „Rasenmäha“, und wer die seligen Ramones noch spielen hörte, hat „Surfin' Bird“ im Ohr und Feuchtigkeit vor den Augen: Eine Coverversion, die tatsächlich den fröhlichen Blödsinn des Originals noch einen Tick weiter treibt. Und dann, sind das nicht die Stones mit „Out Of Time?“ Absolut! Hier heißt es allerdings: „Baby, Baby, Baby, kumm lass mi nei...“ Das ist natürlich peinlich und primitiv und geht gar nicht. Also: Punk, wie er sein soll. „Was fürs Herz“, ruft Landy.

Dann machen sie die „Rock'n'Roll-Highschool“ zur „Rock'n'Roll-Hauptschul'“ und der „Pinhead“ fährt heute mal nicht zu Sechzig, sondern direkt zum „Augustiner Hell“. Im Publikum hüpfen gefährlich aussehende Männer mit nacktem Oberkörper und zierliche Mädchen in weißen T-Shirts friedlich nebeneinander. Landy singt das Finale: „Schnaps und Bier macht dumm und hässlich / Doch das ist mir scheißegal.“ In diesem Sinne: Es besteht noch Hoffnung.

Die Ramonas spielen wieder live am 8.10. 2011 beim Volxtanz in der Glockenbachwerkstatt.

Zur Band geht es hier: http://wp1127746.wp272.webpack.hosteurope.de/rock-me/index.php?page=ramonas

und zur CD hier: http://wp1127746.wp272.webpack.hosteurope.de/rock-me/index.php?mact=ShopMadeSimple,cntnt01,fe_product_list,0&cntnt01category_id=6&cntnt01returnid=69

Veröffentlicht am: 02.08.2011

Über den Autor

Michael Grill

Redakteur, Gründer

Michael Grill ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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