Wie die Maler der Brücke den Sommer entdeckten: Bade und Arbeite!

von Michael Weiser

Natur und Mensch im Einklang: Erich Heckel, Am Waldteich, 1911. Bild: Nachlass Erich Heckel, Hemmenhofen

Unbeschwerte Tage dürften das gewesen sein: die Temperaturen sommerlich warm, der große Krieg noch längst nicht in Sicht, die Künstler untereinander freundschaftlich verbunden, die Landschaft idyllisch und die bürgerlichen Konventionen zumindest für den Moment weit weg. Die Ausstellung "Sommerfreuden - Badefreuden" im Buchheim-Museum in Bernried zeigt, wie die Maler der Brücke in der Natur von Moritzburg, Dangast und Fehmarn zu neuen Ausdrucksformen fanden.

Die Herausforderung der großen, hässlichen, prächtigen, dynamischen Stadt Berlin war an die Jungkünstler noch nicht herangetreten. Man suchte. Nach Ausdrucksmöglichkeiten, nach sich, nach neuen Motiven. Und man wurde fündig. Kirchner, Erich Heckel und Co., kurz: die Maler der „Brücke“, fanden vorerst an den Moritzburger Teichen nahe Dresden, im Nordseedorf Dangast und auf der Ostseeinsel Fehmarn ideale Bedingungen für ihre Arbeit. Dort fingen sie unermüdlich den Sommer in leuchtenden Farben ein, mit einer arkadischen Atmosphäre, in der sich Mann und Frau unverstellt zeigten, nackt, unverbildet und ohne Pose, Mensch und Natur versöhnt. „Wir Malersleute zogen frühmorgens mit unseren Geräten schwer bepackt los“, erinnerte sich Brücke-Künstler Max Pechstein, „hinter uns die Modelle mit Taschen voller Fressalien. Wir lebten in absoluter Harmonie, arbeiteten und badeten. Fehlte als Gegenpol ein männliches Modell, sprang einer von uns dreien in die Bresche.“

Zufluchtsort und Ausgangspunkt: Ernst Ludwig Kirchner, Badende am Strand von Fehmarn, 1913. Foto: Buchheimmuseum

1905, mitten in der pompbedürftigen Zeit Wilhelms II., hatten sich die Studenten Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Fritz Bleyl in Dresden zur „Brücke“ zusammengeschlossen. Sie wollten abbilden, was im Innersten zum Schaffen drängte und wählten sich – ganz im Sinne Nietzsches – Leib und Leben, das Hier und Jetzt ohne „metaphysische Hinterwelten“ zum Gegenstand. Für die zugeknöpften Zeitgenossen bedeutete die von Küsten und Teichen ausgehende farbige Revolution einen Tabubruch. Da fühlte sich schon mal die Staatsgewalt herausgefordert: Ein Gendarm stellte den Nackedeis am Teich nach - und „gröbliche Versündigung gegen die Sittlichkeit“ fest.

In Bernried ist in der Ausstellung „Sommerfreuden – Badefreuden“ ein weitgehend unbelasteter Zauber längst vergangener Tage nachzuempfinden. Und es gibt erstmalige Einblicke: Erich Heckels berühmter „schlafender Pechstein“ ist eigentlich nur die Rückseite eines anderen Gemäldes: zwei Badende, die nunmehr zu betrachten sind. Auch hinter Kirchners „Freunden im Gespräch“ verbirgt sich ein anderes Werk: eine nicht vollendete Dünenlandschaft. In späteren Aquarellen und Drucken von Erich Heckel lässt sich dem Thema Baden in freier Natur weiter nachspüren. Mensch und Wasser spielen auch eine zentrale Rolle bei Otto Mueller. Gezeigt werden Gemälde, Aquarelle und Druckgraphiken von ihm  in einem eigenen Kabinett. Nicht ganz so bekannt: Max Kaus, der sich in Landschafts- und Badebildern stark von Heckel beeinflussen ließ.

Dieser Wasserzauber ist ein Tipp für Spätsommertage, wenn das sonnige Augustfinale bereits Geschichte ist und das dann nicht mehr ganz so warme Wasser des nahen Starnberger Sees auch nicht mehr zum Plantschen einlädt. Im "Museum der Phantasie" kann man jedenfalls der schönen Jahreszeit dann noch ein Nachspiel verschaffen.

Sommerfreuden – Badefreuden, Buchheim-Museum, bis 3. Oktober, Begleitheft 8,90 Euro

Veröffentlicht am: 26.08.2011

Über den Autor

Michael Weiser

Redakteur, Gründer

Michael Weiser (1966) ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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