Münchner Philharmoniker in Luzern
Wenn die Akustik den Klang schafft - Ein Vorbild für München
Zwei Tage nach dem offiziellen Antrittskonzert ihres neuen Chefdirigenten Lorin Maazel präsentierten sich die Münchner Philharmoniker überaus selbstbewusst beim Lucerne Festival, einem der renommiertesten Treffpunkte aller berühmten Symphonieorchester. Der Konzertsaal des Kultur- und Kongreßzentrums am Vierwaldstätter See zählt zu den Besten der Welt. Davon konnte sich beim Auftritt der Philharmoniker auch der bayerische Kunstminister Wolfgang Heubisch überzeugen.
Eigentlich ist er für das Orchester der Stadt nicht zuständig. Aber nach dem ersten der beiden Münchner Abende geriet er regelrecht ins Schwärmen: „Eine Super-Akustik.“ Und auch der neue Chefdirigent der Philharmoniker wurde von ihm artig hofiert: „Ich bin froh, dass wir Lorin Maazel wieder in München haben“.
Welches Orchester auch immer in Luzern gastiert, die Attraktion ist der Saal. Dort lässt sich Musik genießen wie an kaum einem anderen Ort. Den Münchner Philharmonikern, beim Lucerne Festival zuvor mit James Levine, Christian Thielemann und Zubin Mehta zu Gast und notgedrungen eingeschworen auf den Gasteig, kann nicht verborgen bleiben, was zuhause alles im Argen liegt. Auch wenn Intendant Paul Müller tapfer dagegen hält: „Die Akustik im Gasteig ist besser als ihr Ruf.“
Dass Bruckners dritte Symphonie in Luzern eine andere Klangqualität besaß als am Abend zuvor in München, wird auch er gehört haben. Endlich einmal ließ sich nachvollziehen, was die Philharmoniker auszeichnet und an guten Abenden einzigartig macht: das runde, warme, von einem energischem Bassfundament geprägte Timbre der Streicher, das stets in das Gesamtgeschehen integrierte kernige, nie lärmende Blech und die reizvoll individuellen Unterschiedlichkeiten der Holzbläser, die allerdings in Wagners „Tannhäuser“-Bacchanal ein wenig schwächelten. Dessen ungeachtet durften sich Lorin Maazel und das Orchester über stehende Ovationen freuen. Mahlers neunte Symphonie gelang 24 Stunden später ebenfalls außerordentlich, wenn auch nicht ganz so grandios wie wenige Tage zuvor in München.
Intendant Paul Müller ist trotz des Super-Auftritts seiner Musiker nicht zu beneiden. Den Kampf um bessere akustische Bedingungen in der Münchner Philharmonie hat er angenommen. Dirigent und Orchester sind derzeit dabei, eine optimale Sitzordnung auszutüfteln – in Cleveland, wo Maazel von 1972 bis 1982 wirkte, sitzt das Orchester eben, was den Bläsern allerdings erheblich die Sicht erschwert: „Natürlich lösen wir damit nicht alle Probleme“, meint Müller, „denn ein Sanierungsbedarf besteht schließlich für den gesamten Gasteig.“
Und dann gibt es ja noch eine andere Baustelle. Maestro Maazel umschreibt sie klug und treffend so: „It´s complicated“ - was die Situation weitaus besser trifft als das deutsche Wort „kompliziert.“ Denn die Suche nach einem Nachfolger für den 82-Jährigen gestaltet sich offenkundig so schwierig wie das Finden einer Nadel im Heuhaufen.
Die Musiker trauen sich und fragen, ob man denn eine Idee hätte. Müller hält sich bedeckt: „Es muss jemand sein, der passt.“ Also kein wohltuend verrückter Selbstdarsteller, vielleicht ja auch Visionär wie der Grieche Teodor Currentzis, sondern einer, der erdgebunden Brahms und Bruckner beherrscht, ohne vor Charles Ives zurückzuschrecken. Namen wie Andrew Manze oder Marek Janowski machen die Runde. Auf den Jungstar David Afkam, der Anfang Oktober drei Abo-Konzerte dirigieren wird, ist man gespannt. In Bamberg, wo Müller vor seinem Münchner Engagement Intendant war, hatte er Glück. Dort traf er auf Jonathan Nott, der - bei Amtsantritt weitgehend unbekannt - dem Orchester zu neuen Höhenflügen verhalf. Vielleicht gewinnt Paul Müller ja noch einmal.