Fastfood Improcup 2013 Im Schlachthof
Von der Spinne zu Spiderman
Stehgreiftheater als sportlicher Wettkampf - das Viertelfiliale des Fastfood Improcup 2013 im Schlachthof gewann das Duo "Bühnenpolka" - der Applaus des Publikums gab den Ausschlag.
Wie verbindet man auf den Brettern, welche bekanntlich die Welt bedeuten, "Vanilleis" mit "Unterwasserwelt"? Und was geschieht mit einem "Bodybuilder" im "Zauberwald"? Nach nur fünf Sekunden Bedenkzeit legten am vergangenen Samstagabend (12. Januar 2013) die vier Spielsüchtigen im Rampenlicht der nur mit vier Stühlen ausgestatteten Bühne des Münchner Schlachthofs los. Christine Sittenauer schlüpft in die Rolle eines hilflosen, jungen Geschöpfes vom Lande, das es in die Großstadt München verschlagen hat, wo sie einem jungen Mann von den Zeugen Jehovas (Tobias Zettelmeier) begegnet. Zusammen fliehen sie an die Nordsee, wo sie die fantanstische neue Unterwasserwelt erleben, indem sie gegenseitig Vanilleeis von Mund zu Mund schlecken. Dies alles geschieht auf Anweisung der Regisseure Karin Krug und Robert Lansing und dauert nur 3:50 Minuten.
Dann wechseln sich die Schauspieler mit den Regisseuren ab. Es folgt unter neuer Regie eine neue Szene, in der Karin Krug als verführerisches Wesen durch einen Zauberwald wandelt, wo sie auf den verwunschenen Bodybuilder (Robert Lansing) trifft, der ihr zuerst als Zwerg und nach einem Kuss als Märchenprinz mit Traumkörper erscheint. Das Ganze ist Theater aus dem Stehgreif und wettkämpferischer Spitzensport der Allerbesten aus dem Fach Improvisationstheater.
Aber was wäre ein Wettkampf ohne Zuschauer, die mit stürmischem Applaudieren oder den gefürchteten Buh-Rufen - die an diesem Abend allerdings nur selten zu hören waren - entscheiden, wer bei dem im K.O.-System ausgespielten "Fastfood Improcup", Deutschlands international besetztem "Improvisationstheater-Turnier Nummer eins", in die nächste Rund kommt. Allerdings gelten beim "free play" eiserne Regeln, die bedingungslos eingehalten werden müssen: Bei Zeitüberschreitung gibt es ebenso Punkteabzug wie für Dummheit, Beleidigung und Zumutung. Und wer dem Moderator, der zugleich Schiedrichter ist, ins Wort redet, wird ebenfalls bestraft und bekommt eine Papiertüte über den Kopf gestülpt, was ihn eine zeitlang von Spaß und Spiel ausschließt, den Zuschauer aber recht amüsiert.
Die allerersten Anweisungen des wortgewandten Moderators und künstlerischen Leiters des "Fastfood Theaters", Andreas Wolf, der 2004 das Format "Improcup" ins Leben gerufen hat, richten sich ans Publikum. In einem "Warm-up" zur Kreativitäts- und Motivationssteigerung werden die Zuschauer von dem gebürtigen Rheinländer und Wahlmünchner zuerst einmal wachgerüttelt. Wenn es heißt: "Aufstehen", erheben sich im bis auf den letzten Platz ausverkauften Schlachthof rund 200 Theaterbesucher von den harten Biergartenbänken, recken die Arme in die Höhe und legen anschließend ihre Hände zur Massage auf ihren Vordermann, respektive die Vorderfrau. Damit wird gleich eines glasklar: Das Publikum soll ermuntert werden, den Spielverlauf mit Zurufen interaktiv zu gestalten. Unerwartetes trifft auf die Spielwütigen, die sich bei jeder Vorstellung neu erfinden - auch mittels des computergestützten Zufallsgenerators, der ebenfalls die Modalitäten des Spielverlaufs bestimmt, indem er beispielsweise das Genre "Anti-Kriegsfilm" oder "Telenovela" vorgibt.
Mit ihrem Gespür für perfektes Timing, ausdrucksstarke Mimik, Gestik und Körperbewegung setzen die beiden Münchner Teams "Süßholz" (Karin Krug und Robert Lansing vom Fastfood Theater) und "Bühnenpolka" (Christine Sittenauer und Tobias Zettelmaier) die Messlatte ihres künstlerischen Anspruchs wie gewohnt sehr hoch. Bis zur letzten Runde herrscht zwischen beiden Duos eine relative Ausgeglichenheit im Punktesammeln. In beiden Teams macht sich allerdings die Frauerpower bemerkbar, während sich die männlich Akteure etwas zurücknahmen. Christine Sittenauer glänzte nicht nur mit ihrer Schlagfertigkeit. Sie kann auch blendend leicht einer Geschichte eine neue Wendung geben und begeistert als naive, geistig arme Wäscherin in einer Rolle aus dem Theater Brechts.
Karin Krung brilliert als abgefahrene Pistensau, der es gelint, eine Forscherhöhle zum Einsturz zu bringen. In ihren Rollenspielen ist sie wandelbar wie ein Chamäleon, als aufgebrachte, schafkopfende bayerische Stammtischlerin überzeugt sie ebenso wie als hämische Kirchgängerin.Tobias Zettelmeier, der schon aufgrund seiner Statur körperliche Bühnenpräsens beweist, schlüpft mühelos in die Rolle des kiffenden Proleten und mutiert in seinem darstellerischen Erfindungsreichtum von der Spinne zum Spiderman. In seinem gewohnt souveränen Spiel etwas zurückgefallen ist der mehrfach preisgekürte Robert Lansing.
Dem Fastfood-Duo "Süssholz", das 2010 den Deutschen Meistertitel erspielte, gelang es in der finalen "Quickrunde" am Marterpfahl nicht, den möglichen Punktegleichstand zu erreichen. Mit tosendem Applaus des Publikums siegte "Bühnenpolka" - und kommt damit dem begehrten Wanderpokal einen Schritt näher.
Maßgeblich am Gelingen des Abends war der Musiker Michael Armann beteiligt. Sein improvisiertes Spiel am Flügel begleitete und beflügelte über 50 Minuten lang perfekt und kongenial die Improkünstler bei ihrem kreativen Theaterspiel und ihrem Mut, gelegentlich auch an schwierigen Aufgaben zu scheitern.
Nächste Veranstaltungen des international besetzten Fastfood Improcup am 9. Februar, 9. März, 20. April und 8. Juni 2013 im Schlachthof.