Münchner Literaten auf der Spur

Stadtspaziergang mit Leporello

von Achim Manthey

Im Simplicissimus von Kathi Kobus an der Türkenstraße verkehrten sie fast alle (Foto: Achim Manthey)

Es ist noch gar nicht so lange her, dass München seinen Ruf als Literaturstadt begründet hat. Das kleines Büchlein "München literarisch" spürt der Entwicklung und ihren Protagonisten nach.

Hätten Sie's gewusst? Im Haus Schellingstraße 23 in München betrieb der Kabarettist, Moritatensänger und Dichter Joachim Ringelnatz, der sich chronisch in Geldnöten befand, einen Tabakladen. Vollgestopft mit Kuriositäten und einem Skelett im Schaufenster - "Bisher kein Todesfall" klärte ein Schild auf - bot er "vorzügliche Cigarren und Cigaretten" feil. Allerdings hielt sich das Geschäft nur von Mai bis Dezember 1909. Das lag womöglich daran, dass die Tageseinnahmen postwendend in seinem zweiten Wohnzimmer, dem Simplicissimus in der benachbarten Türkenstraße landeten.

Hier, an der Georgenstraße 24 in München, lebte Lion Feuchtwanger mit seiner Frau Marta im dritten Stock. Im März 1919 war auch Berthold Brecht dort zu Besuch (Foto: Archiv ama)

Die Autorin Rita Steininger hat verblüffende Informationen rund um das Entstehen der Münchner Literaturszene zusammengetragen und in sehr komprimierter Form zu dem Büchlein "München literarisch" verarbeitet. Das kommt in Form eines Leporello daher und  führt auf einen Spaziergang, der vom Promenadeplatz in der Altstadt bis in die Fuchsstraße in nördlichen Schwabing führt.

Goethe hielt es nur einen Tag lang in der Stadt aus, Heinrich Heine war auch nicht der Kunst wegen hier, sondern hoffte vergeblich auf einen Ruf an die juristische Fakultät der Universität. Nach einem Jahr verließ er die Stadt buchstäblich unter Absingen dreckiger Lieder, wie sich nachlesen lässt. Immerhin widmete ihm die Stadt in den 1950er Jahren im Dichtergarten ein Brunnendenkmal hinter Gittern.

Erst mit der Eingemeindung Schwabings nach München feierte eine Bohéme fröhliche Urständ. Im Café Luitpold an der Brienner Straße in der Maxvorstadt trafen sich Literaten, Maler und Gazettenschreiber, andere verkehrten im Café Stefanie an der Theresien-/Ecke Türkenstraße. Und alle scharten sich in "Wahnmoching" um Franziska zu Reventlow, die "Königin der Bohéme", die erst in der Kaulbachstraße 21 und von 1910 bis 1913 in der Leopoldstraße 41 gewohnt hatte. In dem herrschaftlichen Anwesen Leopoldstraße 4 gründete sich "Die Insel", eine Zeitschrift, für die unter anderem Hugo von Hoffmannsthal, Rainer Maria Rilke und Frank Wedekind schrieben. Das Blatt hielt sich nicht lange, der daraus hervorgegangene Insel-Verlag besteht bis heute.

Thomas Mann, Lena Christ, Stefan George oder Erich Kästner, bei dessen Wohnung in der Fuchsstraße der Spaziergang endet: Sie alle hatten irgendwann einmal entlang der Route und meist in Schwabing Quartier genommen. Kenntnisreich, detailliert und mit einigen Anekdoten versehen hat Rita Steininger das aufbereitet und durch einige Orte ergänzt, die auf den Neubeginn nach dem 2. Weltkrieg hinweisen.

Rita Steininger, München literarisch, Volk Verlag München 2013, 7,95 Euro.

Veröffentlicht am: 24.06.2013

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Oskar Holl
24.06.2013 15:18 Uhr

Ist auch die Paul-Heyse-Villa (Luisenstr. 22) in den Spaziergang aufgenommen? Auch wenn heute fast vergessen - immerhin war er Ehrenbürger Münchens und erster deutscher Nobelpreisträger für Literatur.

Achim Manthey
24.06.2013 18:10 Uhr

Vielen Dank für Ihre Nachfrage, Herr Holl. Paul Heyse und die Villa in der Luisenstraße sind in dem kleinen Kompendium nicht erwähnt wie manches andere auch fehlt. Aber das läge auch nicht an der besprochenen Route. Falls es Sie interessiert: Zum aktuellen Thema der Paul-Heyse-Villa soll in Kürze ein ausführlicherer Beitrag beim Kulturvollzug erscheinen.

Mit freundlichem Gruß, ama