Zum Tod von Ernst Maria Lang, dem Doyen der deutschen Karikatur

Der Aufspießer

von Karl Stankiewitz

E. M. Lang, wie er sich selbst sah.

Der Doyen der politischen Karikatur in Deutschland stammte aus Oberammergau, dem Dorf der Holzschnitzer und Passionsspieler, aus dem viele markante, eigensinnige, holzschnitzartige Querköpfe hervorgegangen sind, vom Bürgermeister Raimund Lang, der 1966 für eine behutsame Reform des uralten Spiels kämpfte, bis zum Volkstheater-Reformer Christian Stückl. Das satirische Zeichnen hatte Ernst Maria Lang, Sohn eines weltberühmten Spielleiters, in der Klosterschule Ettal angefangen, was aber weder seinen Eltern noch seinen Benediktinerlehrern viel Spaß machte.

Wegen ähnlicher Umtriebe, als „Verächtlichmachung“ denunziert, wurde der freche, sportliche Bub (er war Mehrkämpfer) aus der Hitlerjugend ausgeschlossen. Nach acht verlorenen Jahren als Sturmpionier folgte der Hauptmann a. D. väterlicher Empfehlung und wandte sich dem Studium der Architektur zu. „Dort lernte ich das genaue Hinschauen.“

Ernst Maria Lang zeichnete 56 Jahre lang für die Süddeutsche Zeitung. Mindestens einmal in der Woche erschien sein leicht barockes Signum „L.“ im Blatt. Erstmals am 25. November 1947: Über dem Kopf der ausgemergelten Frau Europa streiten sich Stalin und Uncle Sam. Im Bayerischen Fernsehen führte er, von 1959 bis 1989 immerhin, seine schnelle, scharfe Kunst, gewürzt mit ebensolchen Sprüchen, als Werk im Werden regelmäßig vor.

Seine Fehden mit seinem Lieblingsopfer Adenauer, der ihn einmal verklagen wollte, prägten die Geschichte der deutschen Nachkriegskarikatur. Seine Straußiaden, oft mit Versen im Stil von Wilhelm Busch untermalt, füllten Bände, seine Werke gingen um die Welt und einige hängen heute sogar in der Pinakothek der Moderne. Langs Karikaturen waren fast immer kleine Geschichten, fast nie bitterböse, sondern lustig, lächerlich, populär, informativ. Wichtiger als die Ereignisse waren ihm die Personen. Der karikierte Politiker werde zwangsläufig zum „Charakter-Nudisten“, sagte er mir vor seinem 80. Geburtstag. Grundsätzlich erschien ihm „jeder, der Charakter hat“, das Karikiertwerden wert.

Maßgebend war der zeitweilige Präsident der Bayerischen Architektenkammer an der Neugestaltung Münchens beteiligt, was er später als „Mitverursacher einer reichlichen Verbauung“ durchaus kritisch sah. Immerhin bekam er die selten verliehene Medaille „München leuchtet“ in Gold. Zu seinen Schöpfungen gehören die Studentenstadt, die Hackerhöfe und die Parkstadt Solln, wo er selbst wohnte. Der 1,88 Meter große, in der Münchner Gesellschaft oft und gern gesehene Mann war immer bereit zur kontroversen Diskussion, geistreich und oft spöttelnd. Nicht nur körperlich überragte er so manche Runde in Akademien, Sitzungen und Redaktionen.

Seiner Mutter nacheifernd, die auch erst mit 80 Jahren das Malen angefangen hatte, wollte Lang noch lange versuchen, die wechselnden Akteure auf der Weltbühne bis zur Kenntlichkeit zu entstellen. So lang jedenfalls, „wie die grauen Zellen arbeiten, das Auge des Jägers scharf genug ist und seine Hand nicht zittert“. Sieben Jahre später ging er in die SZ-Redaktion, legte ein Bild mit Stoiber, Huber und beider Übervater auf den Tisch und verabschiedete sich für immer: „Servus Freunde, das war’s.“ Es folgten noch zahlreiche Ausstellungen, Bücher und Ehrungen. Zum 90. Geburtstag verlieh ihm die Stadt München ihren Kulturpreis. Am 1. August 2014 ist der – so der Nachruf seiner einstigen Zeitung - „bedeutendste politische Karikaturist Deutschlands“ im Alter von 97 Jahren friedlich verstorben.

Veröffentlicht am: 06.08.2014

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