The Godfathers in der Glockenbachwerkstatt
Knurren und Pfeifen unter Denkmalschutz
Der Reiz liegt zunächst einmal im Ort. Zwar ist ein Auftritt der Godfathers nun nicht gleich die allergrößte Sensation, aber ein bisschen Legende ist die britische Punkrock/Rock/80er-Jahre-Band durchaus, und so gesehen ist ein Wiedersehen buchstäblich von Angesicht zu Angesicht in der Glockenwerkstatt mit ihrem Wohnzimmer-Liveclub vor einigen Dutzend Zuhörern ungewöhnlich. Ob das nun ein versehentlicher Pub-Gig am Viktualienmarkt war oder doch ein weiterer Coup der verdienstvollen Subkultur-Oase - egal. Die Godfathers fuhren herab, starrten uns noch ungläubiger an als wir sie, und es kam zu Gehör, was zu Gehör kommen musste.
In der "Glocke", wie man ja so sagt zwischen Isartor und Dreimühlenviertel, herrscht kurz vor Beginn angespannter Hochbetrieb, denn der Ansturm ist natürlich für die ortsüblichen Verhältnisse gewaltig. "Thunder & Blitzkrieg" haben als Vorband einen guten bis sehr guten Job gemacht; eine sehr junge Band, stampfend, rockend - sowas wie die neuen Joe Leila (falls die noch jemand kennt). Das Publikum ist auffällig unauffällig, gschaftlig bemüht, trotz der Aufregung, an so einem exklusiven Event teilzunehmen, lässig zu sein. Es sind überwiegend Menschen, denen man zutraut, schon "damals", also Mitte bis Ende der 80er, bei den Godfathers dabeigewesen zu sein, aber nicht nur solche.
Es ist schon deutlich nach 22 Uhr, als die Band die Bühne betritt. Obwohl es ja vor Jahren eine Wiedervereinigung in Originalbesetzung gab, sind es aktuell nur noch die Gebrüder Coyne, die das Label rechtfertigen: Sänger Peter und Bassist Chris. Gleichwohl ist es die Band, die schon immer aus der Zeit gefallen war, immer zwischen allen Stühlen saß. Peter begrüßt die vorderen Reihen und damit einen Gutteil des Auditoriums mit einem Prosit. Ja, dies ist ein einzigartiger Ort, über den Tobias Frank vom Club 2 vor wenigen Tagen in einem Interview mit der SZ nicht zu Unrecht sagte, dass man ihn „noch mehr nutzen könne“.
Die Godfathers hingegen versemmeln erstmal den Einstieg zu "I Want Everything", was schon deshalb blöd ist, weil der erste Song ja ein wenig die Richtung vorgibt. Also fluchen, neu einzählen, und so tun als ob nichts wäre. Es folgt für gut 80 Minuten ein Sound wie aus der Gießkanne, aber wir sind hier ja auch nicht beim Klassikgipfel. Im Gegenteil, bei so einer Band fällt das dumpfe Knurren der Verstärker und das Pfeifen der Monitore unter Denkmalschutz.
"Cause I Said So" und "If I Only Had Time" kommen schnell – da ist ja schon mal einiges weg von den besten Stücken. Nehmen wir es als ein Zeichen für die Stärke des Gesamtrepertoires: So muss man erstmal loslegen können.
Zu sagen, Peter Coyne wäre gut gealtert, wäre übertrieben. Aber er hat noch genau den gleichen, kaltschweissigen Heroinblick wie damals drauf, und wenn einen dieser Blick – hier, und zwar nur hier – aus wenigen Metern trifft, hat das durchaus eine eigene Erlebnisqualität. Allgemein hat er als Bühnenfigur eine ähnlich rührende Tapsigkeit wie Ozzy Osbourne (nur ohne begeistertes Händeklatschen) und einen Stoizismus wie Jock McDonald von den Bollock Brothers. Man singt "Strange About Today": "Fuck you, cheers, Prost." Häuptling Silberrücken mit den Geheimratsecken bis über die Ohren schaut grimmiger denn je.
Es folgt etwas wohl tatsächlich Neues, nämlich ein Song namens "Till My Heart Stops Beating"; des Weiteren eine Reminiszenz an die Ramones ("I Can't Sleep Tonight"), und bei "How Low Is Low" denkt man erstmals: Das geht’s doch eigentlich wirklich ganz gut ab. Kraftvoll bellt es aus den Bühnen-Lautsprechern (andere braucht's hier ja fast nicht), und die beiden Miet-Buben an den Gitarren spielen natürlich viel besser als es die Orginalbesetzungen je taten, aber besser ist es deshalb noch lange nicht. Immer noch zieht es die Godfathers, vor allem in den Soli, aber nicht nur dort, in die Bluenotes hinein. "Unreal World" führt darüberhinaus vor Ohren, dass ihre Studio-Produzenten "damals" schon herausragend gut gewesen sein müssen.
Und dann nochmal falscher Einsatz, falsche Saitenstimmung ("Love Is Dead"), was soll's. Bei "She Gives Me Love" genießt man morbide Destruktion nach Art der Stooges. Ok, alles cool, danke Männer, man sichert ein Wiedersehen in einer größeren Halle zu. Schließlich der Song, wegen dem man ja eigentlich hergekommen ist: "Birth School Work Death". Ein bisschen Pogo in der Glocke.