Musik
Premiere der Opernfestspiele mit "Pelleas und Melisande"Vor lauter Symbolen den Sinn nicht mehr gesehen
Immer, wenn sich eine Neuinszenierung von Debussys einziger Oper „Pelléas et Mélisande“ ankündigt, kommen die Intellektuellen aus ihren Löchern. So kann man im Programmheft etwas über „das Phänomen der transgenerationalen Übertragung“ lernen, das sich in der Trauma-Forschung und vor allem in der Geschichte des Holocaust findet. In einem vor der Premiere im Prinzregententheater veröffentlichten Zeitungsinterview wird die junge Regisseurin Christiane Pohle keck gefragt, wie sie denn bitte schön „das performative Aufbrechen einer Entität von Darsteller und Figur“ mit Opernsängern umzusetzen gedenke. Nun gut. Ihre Lösungsansätze waren so überzeugend, dass die Eröffnungspremiere der Münchner Opernfestspiele so einhellig abgelehnt und ausgebuht wurde wie selten eine Aufführung zuvor. » weiterlesen
Das Gärtnerplatztheater mit "Cosi fan tutte" im CuvilliéstheaterVor kalter Kachel mit Tamtam in Ohnmacht fallen
Aufgeklärte Opern-Besucher wissen es längst: Mozarts „Cosi fan tutte“ ist kein Boulevard-Häppchen, das sich bequem genießen lässt. Zu viel steht zwischen den Zeilen, weniger im Text, der die Treue zweier Paare einer billigen Wette opfert, dafür umso mehr in der Musik, die sich immer wieder auf der Seite der betrogenen Frauen befindet. Für den Dirigenten dieser Neuproduktion des Gärtnerplatztheaters im Cuvillièstheater keine leichte Aufgabe: Zu Beginn flüchten sich Michael Brandstätter und das sehr direkt musizierende Orchester in Aufgeregtheit. Doch spätestens im Abschiedsterzett des ersten Aktes kapituliert die derbe Hektik vor dem schmerzlichen, überhaupt nicht ironisch gemeinten Ernst Mozarts. Musikalisch lässt sich dieser „Cosi“ kaum etwas vorwerfen. » weiterlesen
"Lulu" von Alban Berg an der Bayerischen StaatsoperMännertraum mal anders
Eigentlich ist alles ganz einfach: Alban Bergs Oper „Lulu“, die jetzt im Nationaltheater Premiere hatte, beginnt mit dem Zirkus-Auftritt eines Tierbändigers, der die Anforderungen an die Titelheldin sehr präzise auf den Punkt bringt: „Sie ward geschaffen, Unheil anzustiften, zu locken, zu verführen, zu vergiften – und zu morden, ohne dass es einer spürt.“ Eben eine „Femme fatale“, wie wir sie aus den meisten Inszenierungen der Vergangenheit kennen. Doch der russische Regisseur Dmitri Tcherniakov hatte es sich anders überlegt. Seine Lulu, rothaarig und stets adrett weiß gekleidet, besitzt die Verführungsqualitäten einer jener emanzipierten Jung-Managerinnen, die nein sagen, aber ja meinen, wenn es um die Frauenquote geht. So souverän Marlis Petersen die Partie auch meistert – als glaubhafte Persönlichkeit ist sie allenfalls eine interessante Alternative. » weiterlesen
Das war das Klangfest 2015 im GasteigVoll wie nie
Das sechste Klangfest im Gasteig brach, zumindest was den Ansturm des Publikums anging, alle bisherigen Rekorde. Vorsichtig geschätzt deutlich über 10.000 Musikfreunde, hauptsächlich aus der Generation Silver Ager, schoben sich geduldig ineinander und voreinander her. Irgendwann waren die Schlangen hinsichtlich ihres Ziels nicht mehr zu unterscheiden, man stand sozusagen pauschal für die Konzerte in Black Box, Kleiner Konzertsaal und Carl-Orff-Saal an. Ein gelegentlicher Abstecher ins Überflutungsbecken Open-air-Bühne brachte mit klassisch kühlen Pfingstwetter etwas Erfrischung. 32 Konzerte. » weiterlesen
AC/DC im Münchner OlympiastadionSehr nett, zum Teufel noch mal
Und es brach die Hölle los, denn die Schleusen des Himmels taten sich auf: Im brachialen Münchner Mai-Dauerregen versammelten AC/DC nach sechs Jahren wieder die große und generationenübergreifende Hardrock-Familie im Olympiastadion. Es war (am ersten von zwei Abenden, 19.5.2015) ein knackig-konzentrierter musikalischer Vortrag, doch angesichts einer endgültig kindgerechten Volksfestisierung wehte auch ein Hauch von flauem Abschied durchs weite und wetteroffene Rund. » weiterlesen
Das Gärtnerplatztheater mit "Dr. Faust jun." in der ReithalleMan ahnt die Pointen nur, und man ist verstimmt
Mit Goethes „Faust“ ist nicht zu spaßen – vor allem nicht hierzulande, wo selbst Gounods gleichnamige Oper aus falsch verstandener Ehrfurcht lange Jahre „Margarete“ hieß. Noch vor Jacques Offenbach hat der französische Komponist Florimond Ronger alias Hervé (1825 – 1892) eine Reihe von Parodien auf berühmte literarische Vorbilder verfasst, deren bekannteste den Dichter Cervantes und dessen „Don Quichotte“ aufs Korn nahm. „Le petit Faust“, oder wie das Gärtnerplatztheater seine Ausgrabung nennt: „Dr. Faust jun.“, wurde 1869 in Paris uraufgeführt – und ist seitdem vergessen. » weiterlesen
Das Gärtnerplatztheater mit "Singin´ In The Rain" im PrinzregententheaterMit Tennisball-Virtuosität gegen die Erinnerung an einen Film
Irgendwann hat wohl jeder den Film gesehen: Wie Gene Kelly in den Pfützen planscht und dazu „Singin´ In The Rain“ trällert, wie der unvergessliche Donald O´Connor mit grotesker Akrobatik sich in eine wild gewordenen Comic-Maus verwandelt („Make ´Em Laugh“) – Regisseur Stanley Donen gelang 1952 eines der schönsten Filmmusicals, dem erst 1983 eine Bühnenfassung folgte, die sich nicht durchsetzen konnte. » weiterlesen
Martin Schläpfers Mahler-Choreographie „7“ bei der BallettwocheWir sind gar nicht so freundlich
Es hat sich herumgesprochen: Martin Schläpfer war nicht nur ein charismatischer Tänzer, sei es in Basel bei Heinz Spoerli oder beim Royal Ballet in Winnipeg – mittlerweile ist er wohl auch Deutschlands bedeutendster Choreograph. Das eher verschlafene Mainz, wo er als Tanz-Chef wirkte, wurde zum Mekka der Fans. Seit 2009 leitet er das Ballett der Deutschen Oper am Rhein. Und auch dort hat er Glück. 2013 und 2014 wurden seine Tänzer als „Compagnie des Jahres“ ausgezeichnet. Münchens Ballett-Direktor Ivan Liska scheute sich dennoch nicht, diese Konkurrenz für zwei Aufführungen im Rahmen der Ballettwoche ins Nationaltheater einzuladen. Das spricht für ihn. Dass Schläpfer beim Bayerischen Staatsballett den Spagat zwischen Tradition und Moderne vielleicht ebenso hinbekäme wie der inzwischen gewählte Liska-Nachfolger Igor Zelensky, dafür lassen sich in seiner Mahler-Choreographie „7“ eine Menge Argumente finden. » weiterlesen
Rossinis "Le Comte Ory" in der Regie von Marcus H. Rosenmüller im CuvilliéstheaterEin bisserl was geht immer, und beim Nachwuchs sowieso
Irgendwann wollte er es einmal ausprobieren – und jetzt ergab es sich früher als erwartet: Marcus H. Rosenmüller, Filmregisseur und Herrscher über das Singspiel zur Starkbierprobe auf dem Nockherberg, durfte mit Nachwuchskräften der Bayerischen Staatsoper zum ersten Mal eine Oper inszenieren. Man hatte ihm Rossinis Spätwerk „Le Comte Ory“ anvertraut. Natürlich war das Cuvilliéstheater ausverkauft. Auch für die folgenden Aufführungen sind Eintrittskarten Mangelware. Am Ende gab es Ovationen, für die ausgezeichneten Sänger, ein wenig überraschend für die Dirigentin (Oksana Lyniv) und wie zu erwarten für den Regisseur. Rosenmüller machte nichts falsch, präsentierte aber auch keine allzu neuen Ideen. » weiterlesen
Zur slowenischen Kultband Laibach anlässlich ihres Auftritts im ResidenztheaterSpiegelbilder, die ertragen werden müssen
Wie fühlen Sie sich jetzt?“ fragte ein Kamerateam die serbische Schauspielerin Vedrana Seksan, als sie am 21. November 1995 aus einem Laibach-Konzert in Sarajevo kam. Trotz des damaligen Krieges in Jugoslawien tourte Laibach dort, wobei die Band nur mithilfe eines Nato-Konvois zu den Spielorten gelangte, wo sie ihr damaliges Album NATO mit dem Slogan präsentierte: "Laibach take NATO where NATO itself has refused to go". » weiterlesen