Theater
Elfriede Jelineks "FaustIn and out" von Johan Simons am CuvilléstheaterVom Sinn des Lebens im Fritzl-Keller
Eine großartige Aufführung. Zwei Stunden konzentriertes Sprechtheater, bravourös zelebriert von Birgit Minichmayr und Oliver Nägele. Beide wurden im Cuvilliéstheater mit langem Applaus gefeiert, ebenso wie der Regisseur Johan Simons. Aber auch ein Brocken, an dem man würgt. Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek arbeitet in „FaustIn and out“ ihre feministische Erregungs- und Schreibwut an dem monströsen Missbrauchsfall Fritzl ab, der 2008 aus einem Kellerverlies ans Tageslicht kam. Und sucht Parallelen zu Goethes „Faust“, dessen Resi-Inszenierung von Martin Kusej als Spielplan-Schwerpunkt derzeit viele „Faust“-bezogene Produktionen flankieren. » weiterlesen
Rossinis "Guillaume Tell" erste Premiere bei den OpernfestspielenAufs Denkmal geschossen, aber nur den Apfel getroffen
Das Ereignis fand 24 Stunden vorher statt. Anna Netrebko sang die Lady Macbeth in Martin Kusejs viel gescholtener Verdi-Inszenierung aus dem Jahr 2008, mit der Nikolaus Bachlers Staatsopern-Intendanz begann - inklusive nackter Männer, die von der Decke baumeln und urinierender Statisten. Sie wurde frenetisch gefeiert. Verglichen damit fiel der Beifall nach der ersten Premiere der Münchner Opernfestspiele geradezu gesittet aus. » weiterlesen
"Niemandsland" von Dries VerhoevenMit den Kammerspielen zum Betroffensein ins Bahnhofsviertel
Wo ist Niemandsland? Da, wo Flüchtlinge in einem fremden Land ankommen und nicht heimisch werden dürfen, weil die deutsche Bürokratie sie jahrelang in Asylantenheime einsperrt und ihnen die Integration in den Alltag verwehrt. Das ist nicht die Meile südlich des Hauptbahnhofs, auf der man im neuen Stadtraum-Projekt „Niemandsland“ der Kammerspiele mit Kopfhörer einem Guide hinterher trottet. » weiterlesen
Gespräch zu Lea Ralfs' "Ludwig II - Eine musikalische Utopie" im VolkstheaterMit dem Kini im Nirvana
Was verbindet König Ludwig mit Kurt Cobain? Eine ganze Menge, findet Lea Ralfs. Sie inszeniert im Volkstheater den Liederabend „Ludwig II – Eine musikalische Utopie“. Die Utopie haben sich Ralfs, ihre Co-Regisseurinnen Charlotte Oeken und Marie Jaksch sowie der musikalische Leiter Michael Gumpinger (32) ausgedacht. Auch der Schauspieler Max Wagner gehöre eigentlich zum Regieteam, sagt Ralfs (26), die nach fünf Jahren Regieassistenz am Deutschen Theater Berlin und in Basel jetzt in Hamburg Regie studiert. » weiterlesen
Martin Kušejs "Faust" am ResidenztheaterGretchen kaputt, Welt kaputt
Das berühmte „Habe nun, ach“ fällt nicht. Werner Wölbern fragt als Erstes: „Ist das der Weisheit letzter Schluss?“ Das fragt man sich auch für den Rest der gut dreistündigen „Faust“-Aufführung, die Martin Kušej im Residenztheater inszenierte. Er hat das Goethe-Drama in ein düsteres, brutales Heute versetzt und den deutschesten aller deutschen Theaterklassiker so umgestellt, dass man ihn zunächst fast nicht wiedererkennt. Er hat ihn in Puzzleteile aufgelöst, die sich aber auch im zweiten Teil nicht zum Bild fügen. Am Ende Jubel vor allem für Bibiana Beglau als androgyner Verführer Mephisto und Wölberns Durchschnitts-Faust sowie einige Buhs für den Regisseur. » weiterlesen
Interview mit dem Resi-Faust Werner Wölbern"Die ewige Suche - da ist er uns ganz nah"
Mit Goethes „Faust“ begann Werner Wölbern seine Bühnenlaufbahn: Bei der Aufnahmeprüfung an der Folkwang-Schauspielschule sprach er daraus vor. Aber nicht den berühmten Faust-Monolog „Habe nun, ach…“, sondern einen Mephisto-Text. „Die Bösen interessieren einen mit 20 einfach mehr“, schmunzelt der 53-Jährige. Intendant Martin Kusej holte Werner Wölbern 2011 als Gast ans Resi – mit seiner Burgtheater-Inszenierung „Der Weibsteufel“. Jetzt muss Werner Wölbern die Seiten wechseln: Kusej inszeniert „Faust“ und Wölbern spielt die Titelrolle. In München hat zuletzt Dieter Dorn 1987 an den Kammerspielen diesen Inbegriff deutscher Dramatik grandios mit Helmut Griem auf die Bühne gebracht. Auf der heutigen Premiere (5.6.14) im Residenztheater lastet also großer Erwartungsdruck. Dafür wirkt Werner Wölbern im Gespräch ziemlich entspannt, obwohl er gerade erst vom Flieger aus Hamburg kommt, wo er mit seiner Familie lebt. » weiterlesen
"Brandstifterei" frei nach Max Frisch im TamS-TheaterÜberdrehter Turbo-Aktionismus und ein Riesenspaß
Max Frisch schrieb "Biedermann und die Brandstifter" 1958 nach dem antiken Tragödien-Gesetz der unausweichlichen Katastrophe und untertitelte es als "Lehrstück ohne Lehre". Weil der Mensch nie was dazulernt. Deshalb fällt auch der Kapitalist Biedermann, der gerade gnadenlos seinen Kompagnon in den Selbstmord getrieben hat, auf die beiden obdachlosen Ex-Knackis rein, die er auf seinem Speicher übernachten lässt. Obwohl das Muster in der Stadt bekannt ist: Josef und Willi nisten sich mit einer Mitleidstour ein und bereiten in Ruhe den nächsten Brand vor. » weiterlesen
Zum Tod des großen Rolf Boysen"Die Sprache ist das Einzige, woran ich überhaupt glaube!"
Rolf Boysen starb am 16. Mai 2014 im Alter von 94 Jahren in München. Er war einer der größten deutschen Schauspieler und für München schon zu Lebzeiten eine Theater-Legende. Münchens neuer Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) würdigte Boysen wie folgt (SZ-Anzeige vom 21. Mai 2014): "Der Münchner Theatergemeinde hat er mit seiner Darstellungskunst viele unvergessliche Stunden geschenkt." Der Kulturvollzug erinnert daran, was für ein faszinierender Mensch von Kultur und Geist Boysen auch jenseits der großen Schauspielrollen gewesen ist. Äußerst beliebt beim Publikum waren seine Lesungen großer literarischer Stoffe. Wir veröffentlichen im Gedenken an Rolf Boysen ein Interview, das erstmals am 6. November 2008 in der Münchner Abendzeitung erschienen war, vor Boysens Lesung aus Vergils "Aeneis" im Prinzregententheater. » weiterlesen
"Die Zofen" von Jean Genet in den KammerspielenSchlichtweg zu viel Artifizialität
Es beginnt wie ein expressionistischer Stummfilm: Zwei Frauen in Großaufnahme, eine raucht und bläst mit einem Strohhalm ihren ausgeatmeten Rauch in den Mund der anderen. Ein starkes Bild für die symbiotische Abhängigkeit von Claire und Solange, die sich gegenseitig mit Selbstekel und Verachtung vergiften. In den Kammerspielen inszenierte Stefan Pucher „Die Zofen“ von Jean Genet als hochstilisierte, von Bildern überfrachtete Kunstwelt. Brigitte Hobmeier, Annette Paulmann und Wiebke Puls wurden zu Recht bejubelt, ein vereinzeltes, lautes Buh für den Regisseur sprach aber Manchem aus der Seele. » weiterlesen
Interview mit Brigitte Hobmeier, Annette Paulmann und Wiebke PulsDrei Zofen für ein Halleluja
Die Doppeldeutigkeit des französischen Titels „Les bonnes“ ist eine feine Perfidie des Autors Jean Genet. Im Deutschen heißt das Drei-Personenstück „Die Zofen“, aber „les bonnes“ bedeutet auch „die Guten“. Gut im Sinne der Moral sind die Dienstmädchen Claire und Solange kaum: Die Schwestern proben im Rollenspiel, ihre Herrin umzubringen. Genet wurde in seiner kriminellen Karriere nach eigener Aussage nur deshalb kein Mörder, weil er seine Morde in seinen Stücken verwirklichte. „Die Zofen“ wurden 1947 in Paris uraufgeführt, an den Münchner Kammerspielen waren sie 1958 und 1979 zu sehen. Nun inszeniert Stefan Pucher sie hier zum dritten Mal, mit Brigitte Hobmeier als Claire, Annette Paulmann als Solange und Wiebke Puls als gnädiger Frau. » weiterlesen